Schönbrunner Erzieherschule
1130 Wien, Schönbrunn
Bildung - Max Adler
Folder zur Ausstellung: „Die Pädagogen des Schönbrunner Kreises“, 2007
Schönbrunner Erzieherschule
Am 19. August
1919 zogen über 100 Kinder aus „ärmlichen“ Verhältnissen mit
Unterstützung des damaligen Wiener Vize-Bürgermeisters Max Winter in
das
Hauptgebäude des Schlosses Schönbrunn ein (Weiss 2008). Unter Anleitung
des Pädagogen Otto Felix Kanitz, der bereits für die
Sommererholungsaktion
der „Kinderrepublik“ (Gmünd, NÖ) mit verantwortlich zeichnete,
errichteten die Wiener Kinderfreunde dort eine Schule für Kinder und
auszubildende Erzieherinnen und Erzieher (ebd. 63ff.). Es fand eine für
die damalige Zeit
außergewöhnliche und revolutionäre Bildung
statt, wie etwa ein Gegenentwurf zum ansonsten „militärisch“
angehauchten Turnunterricht oder Medienerziehung mit
Kinderkinovorstellungen (ebd. 88f.). Dabei diente Max Adlers Buch "Neue Menschen" als das wichtigste Leitbild.
© Andreas Schulz
Prominente Vertreterinnen und Vertreter ihres Faches, wie bspw. Otto Felix Kanitz, Wilhelm
Jerusalem (Psychologie), Alfred Adler (Psychologie), Max Adler
(Soziologie) und Jenny
Adler (Hygiene) unterrichteten in der Schönbrunner Erzieherschule bis
zu deren Schließung aus finanziellen Gründen im Jahr 1924 (ebd. 25f.).
Pädagoginnen und Pädagogen der Kinderfreunde und Absolventinnen und
Absolventen der Erzieherschule, unter ihnen Karl Popper, organsisierten
sich danach in der „Arbeitsgemeinschaft
sozialistischer Erzieher", die sich zum Ziel setzte, Kinder von
Arbeiterinnen und Arbeitern im Sinne des „Schönbrunner Geists“ zu
unterrichten. Auch dieser Organisation bereitete der Ständestaat ein
Ende.
Die Leitmotive der Schönbrunner Erzieherschule waren wie folgt:
(1) Erziehung zum Gemeinschaftsdenken und gemeinschaftlichen Handeln
(2) Erziehung zur gegenseitigen Hilfe
(3) Aus „Ich“ wird „Wir“
(4) Erziehung zur Selbstbestimmung und Selbstverwaltung
(5) Befähigung zum Verständnis der wirtschaftlichen Klassenstruktur und
deren Einfluss auf die kulturelle und politische Entwicklung der
Menschen in aller Welt und
(6) Erziehung zu Humanität und Friedensliebe (ebd. 24f.).
Max Winter (mit Bart), dahinter Otto Felix Kanitz und der 2. Jahrgang. Archiv der Kinderfreunde
Dieser Teil der Geschichte des Schlosses wird heute weitgehend
marginalisiert. Die einzige Sichtbarkeit der Schönbrunner Erzieher
Schule sind drei Schautafeln im Zugangsbereich eines ehemaligen
Wirtschaftsgebäudes des Schlosses, welches derzeit einen Kindergarten
beherbergt. Es ist heute nur schwer rekonstruierbar, wie die genaue
Raumunterbringung konzipiert war, da dieser Teil des Schlosses nach
einen Bombeneinschlag 1945 gänzlich umgestaltet wurde. Heute befinden
sich dort u.a. Privatwohnungen.