Paul Felix Lazarsfeld (1901, Wien - 1976, Newark/USA)
Austromarxismus - Max Adler - Marie Jahoda - Psychologisches Institut - Wirtschaftspsychologische Forschungsstelle - Konsum und Medien - Marienthal
Paul Felix Lazarsfeld wurde am 13.2.1901 in Wien geboren. Im jüdisch-bürgerlichen Elternhaus gingen führende Vertreter des Austromarximus, wie Friedrich Adler, Max Adler
oder Otto Bauer ein und aus (vgl. Käsler 1986). Als Jugendlicher zeigte
er sich stark politisch interessiert und wurde Mitbegründer der
„Vereinigung sozialistischer Mittelschüler“ (vgl. Neurath 2008: 198ff).
Danach studierte er Mathemathik und Physik in Wien und promovierte 1924
in Astrologie (vgl. Fleck 1990b: 51f.). Drei Jahre später heiratete er Marie Jahoda,
die er in einem Sommercamp der sozialistischen Mittelschüler
kennengelernt hatte, 1930 kam ihre gemeinsame Tochter Lotte zur Welt.
Zuvor war er bereits aus der mosaischen Kirche ausgetreten. Neben
seiner Tätigkeit als Gymnasiallehrer hielt Lazersfeld bald
Statistik-Vorlesungen am Institut für Psychologie,
welches vom Ehepaar Bühler 1922 gegründet worden war. 1927 bekam er
dann auch eine Assistentenstelle bei Karl Bühler. Vier Jahre später
gründete er mit anderen die „Österreichische Wirtschaftspsychologische Forschungsstelle“
und wurde deren wissenschaftlicher Leiter bis 1937 (vgl. ebd.: 62ff).
Die Forschungsstelle führte zahlreiche Marktforschungsstudien für
Privatkunden durch, finanzierte damit aber auch einige
sozialpsychologische Untersuchungen, darunter auch die berühmte Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“, für die Lazarsfeld das Vorwort verfasste (vgl. Jahoda et al. 2009: 31 und Neurath: 1996, 15f.).
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Im September 1933 bekam Lazarsfeld ein halbjähriges Stipendium von der
Rockefeller Foundation und besuchte daraufhin zahlreiche amerikanische
Universitäten (vgl. Fleck 2008: 239). Zunächst blieb er
wissenschaftlicher Leiter der Forschungsstelle, übergab aber Teile der
Aufgaben an Hans Zeisel. Nach internen Differenzen und seinem
endgültigen Beschluss, nicht wieder nach Österreich zurückkehren zu
wollen, löste sich die Forschungsstelle kurze Zeit später auf und die
Ehe zwischen Lazarsfeld und Jahoda wurde geschieden. Lazarsfeld gelang
es daraufhin, sich in Amerika innerhalb relativ kurzer Zeit
wissenschaftlich zu etablieren (vgl. Fleck 2008: 244ff.). Dabei sind
vor allem die Direktionstätigkeiten ab 1937 des „Office für Radio
Research“ an der Universitäten Princeton und später des Nachfolgers in
Columbia zu nennen, wo es zum „Bureau of Applied Social Research“
umgewandelt wurde (vgl. Robinson 1990: 93ff). Seine zahlreichen
Schriften, insbesondere zur Methodik der empirischen Sozialforschung
(teilweise in Zusammenarbeit mit Robert K. Merton), beeinflussten ganze
Forschergenerationen und machten Lazarsfeld zu einem der
einflussreichsten Soziologen der Nachkriegszeit (vgl. Oberschall 2008:
145ff.).
Die Forschungsweise Lazarsfelds war
massiv von seiner Assistenzzeit bei den Bühlers geprägt (vgl. Rosenmayr
1990: 159f.). Stellten in seinen frühen sozialwissenschaftlichen Texten
- vor allem über Erziehungsthemen - klar politisch (austromarxistisch)
motivierte Passagen keine Ausnahme dar, so folgte später eine Zeit
stärkerer „Objektivierung“ (vgl. Fleck 1990: 60f. sowie kritisch vgl.
Pollack 2008: 162). Insbesondere die Tiefenpsychologie von Charlotte
Bühler beeinflusste dabei den jungen Lazarsfeld, der sich zunächst vor
allem durch sein fortgeschrittenes mathematisches Wissen auszeichnete,
für das er Friedrich Adler zum Vorbild gewählt hatte (Lazarsfeld 2008:
38). Die Arbeitsweise der von ihm gegründeten
„Wirtschaftspsychologischen Forschungsstelle“ verdeutlicht diese
Verbindung von statistischem Wissen und sozialpsychologischen Theorien,
mit dem Ziel, das menschliche Handeln besser zu verstehen (Neurath
1996: 14f. und Zeisel 1969: 44). Beispiele hierfür sind etwa „Die
RAVAG-Studie“, einer der ersten je durchgeführten Hörerstudien oder die
„Marienthalstudie“, welche die Auswirkungen von Massenarbeitslosigkeit
mithilfe eines quantitativen und qualitativen Methodenmix untersuchte.
In Amerika erfolgte dann eine Formalisierung, Präzisierung und
Weiterentwicklung der Methoden. Lazarsfeld wird dadurch mitunter als
„der eigentliche Begründer der modernen empirischen Sozialforschung“
bezeichnet (Käsler 1986), wobei auch seine von ihm
geleiteten/gegründeten Institutionen rückblickend wegweisend waren
(vgl. Rosenmayr 1990: 158 und vgl. kritisch Pollack 1990: 140). In
diesem Zusammenhang ist besonders seine Arbeit in der University of
Columbia zu nennen, wo er mit Robert K. Merton den Kern der sogenannten
„Columbia School“ bildete. Diese Forschungsweise manifestierte sich in
Büchern, wie „The Language of Social Research“ oder „The People‘s
Choice“ und beeinflusste damit Generationen von Soziologen,
insbesondere in Amerika (Neurath 2008: 210ff). Lazarsfeld gilt darüber
hinaus als Begründer zahlreicher methodologischer Konzepte, wie etwa
der „latent structure analysis“, oder der „Panel Forschung“ (vgl.
Käsler 1986).