Frauen
Anzengruber Verlag - Rudolf Goldscheid - Soziologische Gesellschaft -
Käthe Leichter -
Wiener Arbeiterkammer - Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum - Marie Jahoda
1924 erschien im
Wiener Anzengruber Verlag der Brüder Suschitzky „Frauenfrage und
Menschenökonomie“ von Rudolf Goldscheid. Er war einer der
Hauptbegründer der Sozilogischen Gesellschaft, in deren Vereinsstatuten
unter Punkt IV festgelegt wurde, dass „alle
Gebildeten ohne Unterschiedes des Geschlechts“ Mitglied der
Gesellschaft werden konnten, darunter Rosa
Mayreder als bedeutende Persönlichkeit
der österreichischen Frauenbewegung und Ilse Arlt, die
Wegbereiterin
sozialer Arbeit. Frauen
waren nicht nur zum Thema von sozialwissenschaftlichen Arbeiten
geworden, sie wurden als Akteurinnen auch endlich erkannt - wenn
auch nur für eine schmerzlich kurze Zeit. Eine der wichtigsten und
zugleich heute kaum erinnerte Akteurin war Käthe Leichter.
Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Leiterin des Frauenreferats der Wiener Arbeiterkammer
von 1925-1934 verfasste Käthe Leichter verfasste in ihrer Tätigkeit als Leiterin des Frauenreferates der Wiener Arbeiterkammer
von 1925-1934n ihrer Tätigkeit als Leiterin des Frauenreferates der Wiener Arbeiterkammer
von 1925-1934 eine Reihe wissenschaftlicher Publikationen zu
frauenrelevanten Themen. Da zum damaligen Zeitpunkt Unterlagen zum
Thema Frauenarbeit nur verstreut und ungeordnet vorhanden waren, machte
sie es sich zur Aufgabe, systematisch Material über Frauenarbeit in
Österreich zu sammeln. Sie beschäftigte sich u.a. mit Statistiken der
Krankenkassen, der industriellen Betriebskommissionen, der
Arbeiterkammern, der Gewerkschaften und den Berufszählungen sowie mit
Berichten von Gewerbeinspektoren, Berufsberatungsämtern,
Lehrlingsschutzstellen und Fachschulen. Bald führte sie auch eigene
Erhebungen durch (vgl. Steiner 1973: 78). Zu ihren wichtigsten
Publikationen zählten die Studien „Wie leben die Wiener
Hausgehilfinnen?“ (1926), „Frauenarbeit und Arbeiterinnenschutz in
Österreich“ (1927) und „Wie leben die Wiener Heimarbeiter“ (1928), der
Sammelband „Handbuch der Frauenarbeit in Österreich“ (1930) sowie die
Studie „So leben wir … 1.320 Industriearbeiterinnen berichten über ihr
Leben“ (1932).
Quelle: http://www.uni-heidelberg.de/md/zentral/alumni/personen/historisch/ausweis_leichter.jpg
Um ein möglichst breites Publikum über Frauenfragen zu
informieren, begann sie 1925 damit, „monatliche Mitteilungen über
Frauenarbeit“ herauszugeben und erhielt schließlich 1927 in der
Zeitschrift „Arbeit und Wirtschaft“ einen ständigen Frauenteil (vgl.
Steiner 1973: 87). Ab 1929 gelang es Käthe Leichter, eine „monatliche
Radiostunde über die arbeitenden Frauen“ im Rundfunkprogramm der
Arbeiterkammer-Sendung durchzusetzen, in der berufstätige Frauen zu
„Themen der Frauenarbeit“ informiert werden sollten (vgl. Göhring 2003:
10ff.).
Studie „Wie leben die Wiener Hausgehilfinnen?“
Im Jahr 1926 erschien Käthe
Leichters erste Studie in der Arbeiterkammer „Wie leben die Wiener
Hausgehilfinnen?“. Bildstatistiken zur Studie wurden vom Wiener Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum (siehe weiter unten) erstellt. Die zentralen Ergebnisse der
Studie waren, dass zwei Drittel der Hausgehilfinnen täglich länger als
die gesetzliche Arbeitszeit (13 Stunden) arbeiteten, knapp die Hälfte
der Frauen nicht den zustehenden Urlaub erhielt und rund ein Drittel
der Befragten in den letzten zwei Jahren arbeitslos gewese war. Käthe
Leichter machte mit ihrer Untersuchung auf die prekären Lebens- und
Arbeitsbedingungen der Hausgehilfinnen aufmerksam und bot damit
Gewerkschaften und der Arbeiterkammer Ansatzpunkte für
Verbesserungsmöglichkeiten (vgl. Göhring 2003: 63).
Studie „Frauenarbeit und Arbeiterinnenschutz in Österreich“
Im Jahr 1927 veröffentliche Käthe Leichter die Studie „Frauenarbeit und
Arbeiterinnenschutz in Österreich“, in der sie die Auswirkungen der
Massenarbeitslosigkeit auf das Leben der Frauen untersuchte. Die
Ergebnisse der Erhebung zeigten, dass Frauen bei der Auszahlung der
Notstandhilfe um 20% niedriger bemessen wurden als Männer und machten
auf den Kompetenzkonflikt zwischen Krankenkassen und Arbeitsämtern
hinsichtlich der Zuständigkeit für schwangere Frauen aufmerksam (vgl.
Steiner 1973: 82).
Studie „Wie leben die Wiener Heimarbeiter?“
In der im Jahr 1928
erschienenen Studie „Wie leben die Wiener Heimarbeiter?“ untersuchte
Käthe Leichter die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener
Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter. Zur damaligen Zeit führte die
Wirtschaftskrise zu einem Überangebot an Arbeitskräften, wodurch die
Zahl der Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter stark anstieg. Die
Untersuchung ergab, dass 95% der Heimarbeiter Frauen waren, 60% einen
unterdurchschnittlichen Verdienst hatten und mehr als die Hälfte
täglich länger als 11 Stunden arbeitete. Die meisten Heimarbeiterinnen
und Heimarbeiter waren an einen Betrieb gebunden, was Lohndruck und
strikte Arbeitsbedingungen begünstigte. Heimarbeit wurde vor allem von
Müttern mit vielen Kindern geleistet, wobei die Mitarbeit von Kindern,
Geschwistern oder anderen Familienmitgliedern oft mit einkalkuliert
wurde. Die Studie untersuchte auch die Wohnungsverhältnisse der
Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter. Die meisten Familien lebten in
einer Zimmer-Küche-Wohnung, die als Schlaf-, Wohn- und Arbeitsraum
diente. Zum Großteil gab es in der Wohnung weder fließendes Wasser noch
elektrischen Strom (vgl. Göhring 2003: 63-71). Aufbauend auf die
Ergebnisse der Studie verfasste Käthe Leichter einen Katalog mit
zentralen Forderungen wie der Ausdehnung der Betriebsrätegesetze auf
die Heimarbeit, der Einbeziehung der Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter
in die gesamte Sozialversicherung, der Ausdehnung des Mutterschutzes
auf die Heimarbeiterinnen, der Schaffung weiterer
Heimarbeitskommissionen und der Angleichung der Heimarbeiterlöhne an
die der Betriebsarbeiterschaft (vgl. Käthe Leichter 1928, zit. In:
Göhring 2003: 71). Um Veränderungen zu bewirken, erachtete es Käthe
Leichter als besonders relevant, ein gemeinsames Bewusstsein der
Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter zu schaffen. So schrieb sie im
letzten Satz der Erhebung: „Gelingt es (…), die Heimarbeiter selbst mit
dem Bewusstsein ihrer Lage, mit dem Bestreben nach gewerkschaftlichem
Zusammenschluß zu erfüllen, so hat diese Erhebung ihren Zweck erfüllt.“
(Käthe Leichter, zit. In: Steiner 1973: 84)
Sammelband „Handbuch der Frauenarbeit in Österreich“
Im
Jahr 1930 veröffentlichte Käthe Leichter mit dem Sammelband „Handbuch
der Frauenarbeit in Österreich“ die bisher umfangreichste Studie zu
diesem Thema (vgl. Steiner 1973: 92). Käthe Leichter
war für Inhalt, Redaktion und die erforderlichen Kontakte und
Korrespondenzen verantwortlich (vgl. ebd.: 92). Beraten wurde sie von
der Freien Gewerkschafterin Anna Boschek und der Sekretärin Wilhelmine
Moik (vgl. Göhring 2003: 71). Der Band beschäftigte sich mit der
Entwicklung der Frauenarbeit in Österreich vor, während und nach dem
Krieg, mit der Berufstätigkeit der Frau in Bezug auf Arbeitsleistungen
und Arbeitsverhältnisse, soziologischen, sozialen,
bevölkerungspolitischen und kulturellen Problemen, dem Schutz der
arbeitenden Frau durch Gesetzgebung und Verwaltung, der Frau in der
Gewerkschaftsbewegung und der arbeitenden Frau im öffentlichen Leben
(vgl. Steiner 1973: 94f.). Auch Marie Jahoda verfasste einen Artikel für den Sammelband mit dem Titel „Frauenarbeit und Kindererziehung“ (vgl. ebd.: 95).
Studie „So leben wir … 1.320 Industriearbeiterinnen berichten über ihr Leben“
Im Jahr 1932 veröffentlichte Käthe Leichter
die Studie „So leben wir … 1.320 Industriearbeiterinnen berichten über
ihr Leben“. Sie wollte erheben, wie es Frauen gelingt die
Dreifachbelastung durch Berufsarbeit, Haushaltsführung und Mutterschaft
zu bewältigen (vgl. Steiner 1973: 100). Bildstatistiken zur Studie
wurden vom Wiener Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum erstellt. Die Auswertung der Erhebung
zeigte, dass Frauen, häufig Mütter, vermehrt als Alleinverdienerinnen
die Familie erhalten mussten. Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung
war, dass sowohl der Anteil der arbeitenden Frauen, als auch der Anteil
der arbeitslosen Frauen anstieg (vgl. Göhring 2003: 78ff.).
Käthe Leichter fasste die Ergebnisse der Studie unter dem Titel „ES
MUSS NICHT SEIN“ zusammen und forderte auf, für eine Verbesserung
der Lebenslage der Frau zu kämpfen. Etwa dafür, dass es nicht sein
muss, dass immer mehr weibliche Angestellte überhaupt keine
Berufsausbildung genießen, dass Frauen auf der untersten Stufe der
Produktion beschäftigt sind, dass Frauen neben außerberuflicher Arbeit
noch Überstunden, Nachtarbeit und Heimarbeit leisten, dass Frauen für
gleiche Arbeitsleistung viel geriner entlohnt werden als Männer oder,
dass Mutterschaft zur täglichen Sorge für Arbeiterinnen wird, da ihre
Kinder während der Berufsarbeit unversorgt bleiben (vgl. Göhring 2003:
81). Viele der von ihr angesprochenen Themen haben bis heute nicht an
Aktualität verloren. So kommt es auch heute noch zu Lohndiskriminierung
aufgrund des Geschlechts, Familienbetreuung und Hausarbeit wird
überwiegend von Frauen erbracht und zumeist sind es Frauen, die in
einem Balanceakt das Familien- und Arbeitsleben koordinieren.
Käthe Leichters Frauennetzwerk
Erfolgreich
arbeitete die sozialistische Gewerkschafterin, Autorin und Gründerin
sowie Leiterin des Frauenreferats der Wiener Arbeiterkammer Käthe Leichter
am Aufbau eines Frauennetzwerkers, indem sie aktiv Kontakte zu anderen
gewerkschaftspolitisch aktiven Frauen aufbaute (vgl. Göhring 2003: 40).
Sie arbeitete in Zusammenarbeit mit der Frauenabteilung der
Gewerkschaften sowie dem Frauenkomitee der Sozialdemokratischen Partei,
hielt Vorträge bei Gewerkschaftsversammlungen und war Referentin bei
diversen Frauen- und Gewerkschaftskursen. Käthe Leichter baute so einen
Kreis an 165 Mitarbeiterinnen (vgl. Mittendorfer 2011: 34) auf, die ihr
einerseits als Informationsquelle über die Lage der arbeitenden Frau
dienten (vgl. Steiner 1973: 76) sowie andererseits Unterstützung bei
der Umsetzung politischer Entwicklungen boten (vgl. ebd.: 74). Zu ihren
Kontakten zählten u.a. die Leiterin der Frauensektion der freien
Gewerkschaft Anna Boschek, die Gewerkschafterin Wilhelmine Moik, die
Betriebsrätin einer Metallfabrik Rudolfine Muhr, die Hilfsarbeiterin
Rosa Jochmann, die junge Arbeiterin Henriette Denk (vgl. Steiner 1973:
74ff.), die Textilarbeiterin Anna Riefler, die Fürsorgerin der Gemeinde
Wien Elfriede Weiß-Lichtenberg, die Leiterin der gewerkschaftlichen
Organisation der Hausgehilfinnen Antonie Platzer (vgl. Göhring 2003:
40) sowie ihre spätere Freundin Frieda Nödl (vgl. Steiner 1973: 77).
Sie alle bildeten den „Grundstock zum Ausbau der Frauenarbeit innerhalb
der Gewerkschaften“ und wurden „Kern der freien gewerkschaftlichen
Frauenpolitik der Ersten Republik“ (Göhring 2003: 40).
„Monatliche Mitteilungen über Frauenarbeit“
Ab 1925
begann Käthe Leichter damit, „monatliche Mitteilungen über
Frauenarbeit“, in denen sie über sozialpolitische Entwicklungen im In-
und Ausland informierte, an Funktionärinnen der Gewerkschaften zu
schicken. Um ein möglichst breites Publikum, insbesondere auch Männer,
über Frauenfragen zu informieren, nutzte sie die Zeitschrift „Arbeit
und Wirtschaft“, welche in Kooperation zwischen der Arbeiterkammer und
der Gewerkschaft herausgegeben wurde. Insgesamt verfasste sie acht
Beiträge in „Arbeit und Wirtschaft“. Im Jahr 1927 gelang es ihr
schließlich, einen ständigen Frauenteil durchzusetzen, in dem sie sich
mit Themen wie Erwerbstätigkeit der verheirateten Frau, gleicher Lohn
für gleiche Arbeit und der Zulassung von Frauen zu allen Berufen
beschäftigte. Sie nahm sich selbst als Autorin zurück und konnte mehr
als 90 Frauen, darunter Funktionärinnen, Wissenschaftlerinnen, aber
auch „einfache Arbeiterinnen" (Rosa Jochmann) als Autorinnen gewinnen (vgl.
Göhring 2003: 63).
„Monatliche Radiostunde über die arbeitenden Frauen“
Ab dem Jahr
1929 gelang es Käthe Leichter, eine „monatliche Radiostunde über die
arbeitenden Frauen“ im Rundfunkprogramm der Arbeiterkammer-Sendung
durchzusetzen, in der berufstätige Frauen zu „Themen der Frauenarbeit“
informiert werden sollten. Insgesamt wurden 45 Radiobeiträge
produziert. Die Themen der Sendungen waren z.B.: „Die Frau als
Betriebsrat“, „Aus dem Leben einer Fabrikarbeiterin“, „Arbeit an der
Schreibmaschine“ und „Grundsätzliches zur Berufswahl der Mädchen“
(Göhring 2003: 10ff.).